Eurobike Show Daily 2023 - Tag 2
Lesedauer 4:15 Minuten

Verhindert das Verkaufsverbot

Dirk Zedler über Verfahren von Marktaufsichtsbehörden

Der Markt für Fahrräder wächst - und damit auch die Aufmerksamkeit der verschiedenen Marktaufsichtsbehörden. Gegen die Hersteller werden aus verschiedenen Gründen Verkaufsverbote verhängt.

Als Branche können wir auf die imposante Erfolgsgeschichte der vergangenen gut 10 Jahre mehr als stolz sein. Anfangs wurden elektrisch unterstützte Fahrräder als Gehhilfe für Rentner belächelt, dann deren Unzuverlässigkeit und schneller Verfall kritisiert. Mittlerweile sind E-Bikes stark gereift und in allen Kategorien in allen Gesellschaftsschichten mehr als salonfähig, vom immer noch gerne gekauften Tiefeinsteiger (auch Unisex genannt) über das Transportrad zum Waren- und Kindertransport, bis hin zum sportlichen Enduro-Fully. In Zahlen bedeutet dies, dass z.B. allein in Deutschland im Jahre 2022 nach Angaben des Zweirad Industrie Verbands (ZIV) 2,2 Millionen und damit knapp die Hälfte aller verkauften Fahrräder elektrisch unterstützt waren. Am eklatantesten ist dies bei Mountainbikes, denn in dieser Kategorie haben mittlerweile rund 90 % der verkauften Exemplare einen Motor.
 
Alles gut? Jein, denn noch immer haben viele Hersteller nur einen Teil der mit der Elektrifizierung einhergehenden Aufgaben erledigt und noch erhebliche Defizite. Das kann und führt häufig zu behördlich angeordneten Verkaufsverboten und Zahlungen, bis hin zu mehreren zigtausenden Euro.
 

Das „E“ macht aus einem Fahrrad eine Maschine

Bei dem grandiosen Erfolg können und vor allem dürfen Marktaufsichtsbehörden nicht untätig bleiben. Die Gesetzeslage in der gesamten Europäischen Union sieht klipp und klar vor, dass die Behörden das einheitliche Sicherheitsniveau in Europa sicherstellen müssen. Grundgedanke ist, dass egal wo in der EU ein CE-kennzeichnungspflichtiges Produkt produziert oder verkauft wird, dieses sicher sein muss. Ein E-Bike muss allen daran anzulegenden Richtlinien und Gesetzen genügen, ohne Wenn und Aber. So soll einerseits verhindert werden, dass unsichere Produkte an die Kunden gelangen, aber auch, dass sich Markteilnehmer einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, indem sie einen geringeren Sicherheitsmaßstab anlegen und im Ergebnis daher günstiger produzieren und anbieten können.
 
Angemerkt werden soll hierbei, dass auch weitere Länder nahezu identische Anforderungen an die E-Bikes stellen, so z.B. die Schweiz, das Vereinigte Königreich sowie Australien und Neuseeland.
 
Im Grunde sind die (Sicherheits-)Anforderungen absolut kein Neuland. In anderen Branchen, z.B. bei Powertools oder Haushaltsgeräten, sind transparente Konformitätsverfahren und Kenntnis über den Inhalt der unter anderem anzuwendenden Maschinenrichtlinie seit über 20 Jahren gang und gäbe. Nur für die Fahrradbranche ist es verhältnismäßig neu, dass durch den Elektromotor eine andere Rechtslage herrscht und somit externe Beobachter das Recht und sogar die Pflicht haben, die herstellerseits getätigten Sicherheitsvorkehrungen zu durchleuchten.
 
Bei Fahrrädern ohne Motor bleibt alles beim Alten. Hier wird seitens der Gerichte nur geschaut, wenn etwas schiefgelaufen, sprich ein Unfall mit schweren Folgen aufgetreten ist. Bei Elektrorädern kann eine Behörde die Offenlegung der Papiere zur Kontrolle anordnen und das schon bei einem geringen Anfangsverdacht, wie es im Fachjargon heißt. Mehr noch, sind die Richtlinien nicht erfüllt, kann bzw. muss der Verkauf von der Behörde bis auf Weiteres untersagt werden.
 

Beispiele für temporäre Verkaufsverbote

Ein Hersteller wollte den italienischen Markt betreten. Die Behörden stellten fest, dass Papiere fehlten und ordneten eine Untersuchung an. Dies führte zum Verkaufsstopp, bis alle Prüfungen bestanden und die notwendigen technische Unterlagen vollständig waren.
 
Eine Polizeistreife hielt in Deutschland einen Radfahrer an und stellte am Typenschild des Pedelecs Unzulänglichkeiten fest. Beim Radhändler lagen weder eine Konformitätserklärung noch die technischen Unterlagen ausreichend vor, also landete der Fall bei der Gewerbeaufsicht am Standort des Fahrrad-Produzenten.
 
Ein Container mit Elektrofahrrädern wurde in Marseille (Frankreich) kontrolliert. Die Beamten entdeckten in den Kartons der E-Bikes keine Bedienungsanleitungen, weshalb der Container bzw. der Verkauf des Inhalts vorübergehend gesperrt wurde.
 
Die Bundesnetzagentur untersagte den Verkauf von Lastenrädern in Deutschland, da keine Prüfungen der elektromagnetischen Verträglichkeit, kurz EMV, durchgeführt worden waren.
 
Ein Hersteller in der Schweiz wurde von der Beratungsstelle für Unfallverhütung, kurz BFU, besucht. Dabei wurden Defizite, wie unvollständige Betriebsanleitungen und fehlende Risikobeurteilungen, festgestellt. Der Hersteller durfte die E-Bikes erst nach der Prüfung der neu erstellten Unterlagen wieder ausliefern.
 
Zu den auf dem französischen Markt bereit gestellten E-MTBs konnte weder der Importeur noch der Hersteller aus einem anderen EU-Land ausreichende Prüfberichte vorlegen. Die teils unvollständigen asiatischen Protokolle der Zulieferer akzeptierte die Behörde nicht. Die Behörde ordnete daher die Prüfungen in einem französischen Labor, d.h. im Bereich der EU, an.
 
Die exemplarischen Beispiele aus unserer alltäglichen Praxis zeigen, dass es sich heute kein Hersteller mehr leisten kann, so weiterzumachen, wie es bei Fahrrädern Jahrzehnte lang Usus war. Zuerst haben die Marktaufsichtsbehörden die großen Hersteller unter die Lupe genommen, jetzt werden zunehmend auch kleinere und mittlere Hersteller besucht.
 

Sich auf den Weg machen

Die gesetzlichen Anforderungen sind umfassend und reichen mit der Niederspannungsrichtlinie, der Batterieverordnung, der ROHS-Richtlinie den ganzen anzuwendenden Normen für das E-Bike selbst, aber auch für die Betriebsanleitung und die Risikobeurteilung weit über die Maschinenrichtlinie hinaus. Klar ist, das ganze Paket zu stemmen, gelingt nicht in kurzer Zeit. Wichtig ist, dass man sich als Hersteller mit seinem gesamten Portfolio auf den Weg macht. Ebenso wichtig ist, dass man von der Geschäftsleitung an abwärts das gesamte Team auf diesem Weg mitnimmt.
 
Erfahrungsgemäß ist eine Schulung der Mitarbeitenden ein erster erfolgreicher Schritt. Nur wenn alle Akteure Kenntnis über den (Sicherheits-)Gedanken hinter den Gesetzen haben, kann der Umschwung im Unternehmen gelingen.
 
Lesen Sie den Artikel in der publizierten englischen Version.
 
Foto: Zedler-Institut
 

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